Tipps und Tricks für Mehrseillängentouren- von ALPS Hati Finsterer

Es ist wieder in Mode – das Klettern von Mehrseillängentouren im Gebirge oder in Sportklettergebieten, die über ausreichende Höhe verfügen. Glücklicherweise hat sich die Absicherung zumindest an den Standplätzen in den meisten Gebieten verbessert. Trotzdem sollte man ein paar wichtige Punkte befolgen – hier ein paar Tipps und Tricks:

Kletterer Mehrseillänge

 Einschätzung Eigenkönnen 

Die Basis für jede vernünftige Tourenplanung ist immer die realistische Einschätzung des Eigenkönnens. Wenn Du im Klettergarten eine 6a sicher vorsteigen kannst, ist eine Übertragung in den Mehrseillängenbereich am Anfang sicher nicht möglich. Schau Dir im Topo genau an wo die Schwierigkeiten liegen, wie die Absicherung beschrieben wird und welche Kletterstellen zu bewältigen sind. Gerade bei klassischen Routen sind oft Kletterstellen zu bewältigen (Kamine, Verschneidungen, Risse…), die in den modernen Klettergärten kaum mehr zur Verfügung stehen. Schalte zu beginn eher einen Grad zurück und schau mal wie es Dir beim Klettern weit über dem Boden so geht.

Beachte auch, dass die Bewertungen imGebirge oft stark von den Bewertungen im Klettergarten abweichen. Ein Sechser im Kaiser oder eine 6b Seillänge in den Rissen vonChamonix haben mit der gleichen Schwierigkeitin den meisten Klettergärten rein garnichts zu tun. Ein bis zwei Grade Reserve isthier immer angebracht!

Tourenplanung und Partnerwahl

Leider hat sich in den letzten Jahren die Tourenplanung übers Internet sehr eingebürgert.Hier mal mein Tipp: Wir planenimmer mit einem guten vertrauenswürdigen Kletterführer, der Karte und den zugehörigenInformationen aus dem Netz wie Wetterinformationen und Niederschlagsmengen. Die Erfahrungsberichte in den Tourenforen sind bestenfalls ergänzende Informationen.

Deinen Partner solltest Du bereits von gemeinsamen Klettertagen kennen und EureZielsetzungen sollten ähnlich sein. Wichtigist die Möglichkeit, Probleme oder Bedenkenoffen aussprechen zu können und ernst genommen zu werden. Das wechselseitiges Vertrauen ist die Basis für jede erfolgreiche Seilschaft!

Ausrüstung allgemein und  am Gurt

Prinzipiell verwenden wir bei Mehrseillängentouren immer ein Doppel- oder Zwillingsseil.Dies aus Gründen der Sicherheit beim Rückzug und natürlich auch dem Mehrkomfort bei vertrackter Linienführung. Wir klettern mit zwei Halbseilsträngen von 60 Metern auch als Reserve bei langen Längen und beim Abseilen. Am Gurt selber haben wir immer ein kleines Rettungsset von Reepschnüren,mehrere Bandschlingen in verschiedenen Längen, einen kleinen Satz Stopper und Cams. Beachte die Besonderheiten in den Routenbeschreibungen.Oft sind die genauen Angaben über die mobilen Sicherheitsgerätesehr hilfreich. Kevlarschlingen für Sanduhren und Blockschlingen sind immer am Gurt. Die Expressschlingen solltest Du so wählen, dassein paar verlängerbar sind. Für den Standbau haben wir immer 2 Bandschlingen mit einem weichen Auge vorbereitet, mehrere Schraubkarabiner und zumindest 2 Safelockkarabiner. Als Sicherungsgerät verwenden wir spezielle Tuber, die wir auch zum Abseilen verwenden können. Mein Tipp ist der ATC Guide von Black Diamond. Unsere Kletterschuhe sind eher bequem von der Größe her und härter. Nach 10 Seillängen auf kleinen Tritten wirst Du das sehr schätzen lernen. Natürlich verwendenwir immer einen Steinschlaghelm, der bequem und gut sitzen sollte.

Rucksack

Zusätzliche Ausrüstung wie Bekleidung,Trinken, Essen, Handy, Stirnlampe, Führer und Zustiegsschuhe verstaue ich immer in einem kleinen Rucksack, den der Nachsteiger trägt.Bei längeren Unternehmungen sind es manchmalein kleiner und ein größerer Rücksack,die dann aufgeteilt werden. Beachte, dassDu Dein Material am Gurt und am Körper immer so versorgst, dass Du trotz Rucksack zu Deinem Material kommst. Ich verwende für Tagestouren einen Black Diamond Shot Pack.

Wichtig ist, dass der Rucksack nah am Körper zu tragen ist und kein unnötiges Schlingen- und Bandmaterial weghängt.

Standplätze und Gefährtensicherung

Prinzipiell ist der Bau von Standplätzen eine Sache, die Übung und Erfahrung benötigt.Da wir stets nach redundanten Systemen arbeiten, ist die Beurteilung der vorhandenenStandplatzsicherungen nicht immer einfach. Am Beginn Deiner Mehrseillängenkarriere solltest Du nur Touren auswählen, die gebohrte Standplatzsicherungen in gutem Zustand aufweisen. Natürlich verwenden wir auch Bäume und Sanduhren in ausreichender Dimension als mögliche Standplätze.

Die Anbringung einer Reihensicherung mit einem Zentralpunkt hat sich in den letzten Jahren als Standard herauskristallisiert. Am Standplatz selber verwenden wir eineSelbstsicherung mittels Mastwurf oder eine Daisychain (mein Tipp: Grivel Daisy Chain). Achte immer darauf, dass Du ein geschlossenes System (Schraubkarabiner) verwendest. Die Nachsicherung und das Sichern im Vorstieg erfolgt immer über Deinen Zentralpunkt. Schau, dass die Seile immeram Stand aufgenommen werden und Du eine übersichtliche Anordnung aller wichtigenSicherungen am Standplatz erreichst. Beachte auch immer vorkletternde oder nachfolgendeSeilschaften – es ist ein Gebot der Höflichkeit, den Seilschaftsablauf der anderen Seilschaften nicht zu stören.

Kletterer Mehrseillänge Abseilen

 Abseilen und Rückzug

Schon bei der Planung der Route beschäftigenwir uns immer mit einem möglichen Rückzug oder dem Abseilen nach der Route, wenn dies erforderlich ist. Gerade bei Routen mit langen Quergängen und / oder starken Überhängen, kann ein Rückzug problematisch werden. AmRoutentopo finden wir meist die Position der nächsten Abseilstände mit einer Längenangabe.Wir bereiten das Abseilen immer mit zwei Knoten am Ende der Seilstränge und mit einer zusätzlichen Bremse ab (Kurzprusik). Achtung beim Auswerfen der Seilstränge – schau, dasssich die Stränge nicht verhaken. Meistens testen wir noch nach dem ersten Abseiler, obdas Seil abziehbar ist. Der Zweite verwendet seine Selbstsicherung mit einem Karabiner, der ober dem Abseilgerät eingehängt wirdund so ein Verdrehen der Seile verhindert.Bei schlechter Erreichbarkeit der Standplätze (Querungen, Überhänge) sichert der Erste dieSeile am Stand für den Nachfolger. Manchmal verwenden wir als Abseilerster auchZwischensicherungen, die wir wieder einhängen,um Abseilstände bequemer zu erreichen.

Diese Tipps sind ein kleiner Auszug aus praktischen Anwendungsbeispielen und erhebennatürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Mehrseillängentouren sind eine ernstere Angelegenheit als das Klettern im Klettergarten. Erfahrung, Können und eine fundierte Ausbildung sind wichtige Vorraussetzungen.

Am besten bei einem unserer Start oder Start Classic Kurse in Deiner Nähe!

Mehr unter www.alpscimbing.com